In mir ist eine Vision, etwas, was mich schon lange antreibt, aber noch nicht richtig zur Entfaltung kommt. Ich spüre das immer wieder, besonders dann, wenn ich mit "wahren Künstlern" im Kontakt bin, die etwas zu sagen haben, die einen ganz bestimmten Ausdruck haben, die etwas starkes, erhabenes und wunderschönes verkörpern.
Dann spüre ich den Wunsch in mir, dass ich das auch will. Ich will "wahre Kunst" machen und leben, schöpferisch und kreativ und ausdrucksstark sein und im vollen Kontakt mit mir und dessen, was in mir ist und raus will. Ja ich will das, was mir viel bedeutet nach außen bringen. Ich bin auf dem Weg, aber habe das Gefühl, dass ich noch nicht so richtig mein Mittel gefunden habe. Zumindest ist es nicht die Karinette, mit der ich das leben kann - denn wenn ich Kompositionen von anderen Menschen spiele, dann ist der Weg schon vorgegeben, in einem gewissen Sinne, die Energie ist schon da und ich bin lediglich das Sprachrohr, aber nicht wirklich der Urheber. Zur Komposition aber, fühle ich mich gar nicht hingezogen und auch nicht so richtig zur Improvisation.
Improvisation fühlt sich für mich beiläufig an, zu flüchtig und wenn ich es betreibe, ist es sehr zufällig - es kommt was kommt. Aber das fühlt sich nicht an, wie der Ausdruck, den ich für mich suche. Ja ich suche den Ausdruck im Klarinettenspiel und ich finde es total faszinierend, mich mit den verschiedenen Klangfarben zu beschäftigen und sie, wie ein Schauspieler zum Ausdruck zu bringen. Mit der Luft zu spüren und die Wirkung erfahren und dann auch bewusst in den Kompositionen, die ich vertone und zum Leben erwecke, einsetzen. Ja es ist definitiv ein Prozess, wo ich lernen kann, mich zu spüren und das, was ich durch die Musik, die jemand anderer geschrieben hat, erfahre, zum Ausdruck zu bringen.
Ist die Klarinette doch mein Ausdrucksmittel? Kann ich vielleicht doch meinen Traum, meine Vision der erhabenen, starken, in sich ruhenden, besonderen Künstlerin damit verwirklichen? Die Künstlerin, die von anderen nach ihrem Innersten gefragt wird, die Faszination auslöst, die andere berührt und inspiriert?
Vielleicht hilft mir grade die Beschäftigung mit den Kompositionen wirklich zu mir zu finden? Und vielleicht darf ich akzeptieren, dass ich eigentlich nicht wirklich Interesse habe daran, andere zu entertainen? Das da etwas anderes in mir ist, das ganz zart und besonders ist und das nicht zum Leben erweckt werden kann, wenn man anderen gefallen will, wenn man Entertainment macht, wenn man Ziele verfolgt, um anderen Unterhaltung zu bieten. Dass ich das für mich nicht so wirklich im Orchester leben kann, das ist mir mittlerweile auch bewusst. Auch wenn ich es liebe im Orchester zu spielen und die Energie des Ensembles und des Dirigentens zu spüren und mich mitreißen zu lassen. Das ist toll!
Als ich diesen Text begonnen habe zu schreiben, habe ich noch gedacht, dass ich das nur mit anderen Mitteln zum Ausdruck bringen kann, dass es nicht die Klarinette ist und für mich auch gar nicht möglich mit ihr. Sondern der Tanz, der Körper, die Bewegung oder das Schreiben. Vielleicht auch alles?
Ich dachte eben bis grade, ich kann das nur als Choreografin entwickeln, weil ich da schöpferisch tätig sein kann, weil ich da etwas sichtbar zum Ausdruck bringen kann, oder zum Ausdruck bringen lassen kann. Vielleicht ist das damit leichter, weil ich das wirklich aus mir heraus angehe, noch ganz unbefleckt und weiß, ich habe noch nicht gelernt, was als "richtig" und "gut" in dieser Szene angesehen wird. Und es ist natürlich ein ganz direkter Kontakt zum Körper, zu mir, zu meinen Empfindungen, die sich direkt in Bewegung manifestieren können.
Aber gleichzeitig ist es auch schwieriger, wenn man noch gar nicht so viel aus dem Handwerk weiß und kann (zumindest fühlt sich das so an, aber ist das nicht immer so?), wenn mein Körper in der Bewegung begrenzt ist (Ich bin definitiv keine krasse Tänzerin, die ihr Instrument "Körper" schon voll unter Kontrolle hat)
Die Frage ist nur, brauche ich das? Es geht mir ja um Ausdruck, auch wenn ich natürlich die Virtuosität, die Beweglichkeit mancher Tänzer, genauso auch bei Klarinettisten bewundere. Diese Kontrolle, diese Beherrschung des Körpers. Wenn sie zum Beispiel eine geführte Drehung, am besten noch mit dem Bein hoch in die Lüfte und den Oberkörper grazil gebogen, vollführen. Aber vielleicht bringen auch "einfache" Bewegungen ihre Virtuosität mit, wenn man ganz präzise die verschiedenen Bewegungsqualitäten von innen heraus vollführt, das habe ich zum Beispiel gemerkt, als ich meiner Freundin meine Choreografien beigebracht habe, die ich für unseren Film "Deadline" geschrieben hatte.
Was einem selber leicht fällt, ist nicht unbedingt auch für andere leicht. Den Satz habe ich tatsächlich in letzter Zeit öfter gehört und dieser Satz regt mich an, meine Besonderheiten mehr anzuerkennen. Vielleicht kannst du auch mal in dich reinspüren, was fällt dir leicht, wo du glaubst, das sei nichts Besonderes?
In solchen Gedankenwelten jedenfalls spüre ich oft die Frage in mir, bin ich überhaupt gut genug, um Kunst zu machen?
Andererseits, wenn ich sehe, was alles für teuer verkauft wird und als Kunst angesehen wird, wofür man eigentlich nicht groß was können muss, zum Beispiel ein Nachtschränckchen (ein edles), wo zwei Zigaretten vor sich hin rauchen, dann frage ich mich, was ist eigentlich Kunst?
In dem beschriebenen Fall reicht einfach das Machen, die Idee nach außen bringen aus. Dahinter stehen, zu seiner Kreativität stehen und sich nicht begrenzen lassen und ja auch ein bisschen Frechheit besitzen. Denn diese Szene hat definitiv einen Ausdruck und transportiert was. Es regt die Fantasie an.
Bei mir kommen die Gedanken hoch, dass es einen gewissen Stil hat, der Schrank war sehr stilvoll, die Zigaretten drücken auch einen gewissen Stil aus, sieht man doch manche Künstler, die rauchen und es bei ihnen unglaublich ausdrucksstark, erhaben und stilvoll aussieht. Oder man könnte sich auch Gedanken machen über die Vergänglichkeit. Der Mensch geht, die Zigaretten bleiben. Oder war da grade eine romantische Situation?
Was ist also Kunst? Kunst ist für mich, etwas zu transportieren oder auch auf etwas aufmerksam machen. Ein Gefühl, einen Ausdruck, eine Geschichte, eine Message, eine Atmosphäre - von Innen nach Außen. Oder von Außen nach Innen und wieder nach Außen. Aber nicht irgendwie, sondern durch andere Mittel als durch ein grade heraus aussprechen. Oder ist das, was ich grade mache auch schon Kunst? Ist dieser Text schon Kunst? Weil ich aus dem Innen heraus schreibe, was in mir vorgeht und es nach außen bringe? Andere Menschen in meine Welt einlade? In ihnen eine Empfindung auslöse?
Oder müsste ich es jetzt poetisch ausdrücken oder in Bildern? Oder vlt so?
"So schnell verfliegt das Glück, eine Illusion, schimmernde Hoffnung, glitzernd.
Suche nach Trost am falschen Ort, wissend.
Tiefes Loch voll Traurigkeit.
Frage nach dem WARUM, es hilft alles nichts.
Tiefer Schmerz.
Wunsch nach Liebe und Geborgenheit, Nähe.
Schöne Momente nur für kurze Zeit, alles vergänglich...
Auch der Schmerz."
Jedenfalls weiß ich, was mein Wunsch ist, was meine Vision ist, was in mir schlummert und raus will und ich weiß, ich habe drei Mittel dazu in meinem Leben, Klarinette, Tanz, Schreiben. Mal sehen, was das Leben bringt. Ich brauche nichts forcieren, einfach zulassen. Zulassen, was da ist und was von selber raus will.